Mein Buch des Monats: Februar

Katharina Winkler: Blauschmuck

Suhrkamp Verlag, 2016, gelesen als E-Book über die Onleihe

Es ist kein „schönes“ Buch, trotz der poetischen, lyrischen Sprache und dem Titel „Blauschmuck“. Größer könnte der Kontrast zwischen Stil und Inhalt kaum sein. Der Roman Blauschmuck handelt von dem kurdischen Mädchen Filiz, das in einem abgelegenen Dorf mit vielen Geschwistern und Nachbarskindern aufwächst. Die Mutter beschützt die Kinder vor dem Vater, der Vater die Familie von den Wölfen.
Feliz sticht in der Schule hervor, könnte in der Stadt die weiterführende Schule besuchen, der Lehrer setzt sich für sie ein, doch der Vater erlaubt es nicht.
Mit zwölf Jahren verliebt sich Filiz, flieht mit ihrem Geliebten aus ihrer Familie mit dem Traum von einem Leben in Jeans. Die Realität sieht anders aus: Dem ersten Kind mit dreizehn Jahren folgen schnell weitere, lieber wünscht sie sich eine Abtreibung als einen neuen Kühlschrank. Filiz lebt zwischen Unterdrückung und Gewalt, ordnet vorsichtshalber die runden Holzscheite obenauf, weil sie dann beim Schlagen weniger Verletzungen hinterlassen als die kantigen Hölzer. Der Blauschmuck, den so gut wie alle Frauen ihres Herkunftsdorfes tragen, die Male von Schlägen, Würgen, Fesselungen und anderen Quälereien, bestimmen auch ihren Alltag. Doch es gibt auch Freiheitsinseln in ihrem Leben, sie lernt Autofahren, nimmt Kontakt zu Nachbarn auf, befreit sich schließlich von ihren Fesseln.
Es ist ein Roman, der einem nicht mehr aus dem Kopf geht, weil er so nah an den Figuren ist, über die Liebe von zwei jungen Menschen, die lieben, aber nicht wissen, wie man das macht, ohne zu verletzen oder, ohne dass Angst und Unsicherheit männlicherseits in Gewalt mündet, und vor allem auch, weil der Roman keine Fiktion ist. Wie sich aus Konventionen und althergebrachten religiösen und moralischen Vorstellungen befreien? Das fällt Filiz genauso schwer wie ihrem Mann, auch wenn sie fast zu Tode geschunden wird, denn bei all der Gewalt gibt es keinen Glauben an Schutz und Gerechtigkeit mehr.
Trotzdem ist es kein depressiver Roman, sondern einer, der dem Leser auch Haltepunkte und Ausgleichsmöglichkeiten bietet: Da ist die poetische Sprache, die Alltäglichkeiten, die schon grotesk sind (Geld für Kühlschrank oder Abtreibung ausgeben?) und der Kampf von Filiz um Selbstbestimmung.

Leseprobe:


Beitragsbild: A pile of books on wooden table @ kwanchaidp, Depositphotos


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