Mein Buch des Monats: März 2018

Emma Donoghue: Das Wunder

(Wunderraum Verlag, Oktober 2017, gelesen als E-Book)

Eigentlich lese ich kaum historische Romane. Dieses Buch habe ich zufällig auf der Startseite der Onleihe entdeckt, reingelesen und konnte nicht mehr aufhören. Der Roman spielt Mitte des 19. Jahrhunderts in Irland, doch ein typischer historischer Roman ist es nicht. Er hat nicht das Üppige, Ausgeschmückte, Historisierende, sondern ist eher nüchtern gehalten, erinnert teils an einen Spannungsroman.

Worum es geht?
Die Engländerin Lib diente unter Florence Nightingale im Krimkrieg als Krankenpflegerin, nun soll sie in Irland ein Fastenmädchen überwachen. Nimmt Anna, aus dem tiefsten irischen Hinterland wirklich seit Monaten nur Wasser zu sich und benötigt keine Nahrung? Abwechselnd mit einer Nonne soll sich Lib im Auftrag eines Dorfgremiums eine Meinung bilden. Zwei Wochen hat sie dafür Zeit.

Lib ist Logikerin. Der Mensch muss essen, sonst verhungert er. An Wunder glaubt sie schon lange nicht mehr und so ist sie sicher, die fast ununterbrochen betende Anna bald der Lüge überführen zu können. Was Lib bald merkt: Solange Anna beobachtet wird, isst sie wirklich nicht. Und unbeobachtet ist Anna von nun an nie.
Als Beobachterin begreift Lib, wie viel für alle Beteiligten davon abhängt, dass sie als Autorität das Wunder der Anna bestätigt. Ein Mädchen, dass ohne Nahrung auskommt. Was das bedeutet! Ruhm für den Dorfarzt, der den »Fall« als erster einem Fachpublikum vorstellen kann. Pilger, die kommen, um das Fastenmädchen zu sehen und Spenden in dem bitterarmen Ort lassen. Bekanntheit für den Ort. Ein Dorfpfarrer, der daran mitwirken kann, eine Heiligsprechung zu erreichen!
Und was, wenn Anna nur WEGEN Libs Überwachung nichts mehr essen wird und nun wirklich verhungert?

Bei diesem Buch dachte ich wieder: Das ist der Grund, warum ich immer Bibliothekenbesucherin bleiben werde, egal ob in der »realen« oder der »virtuellen« Bibliothek: Die Hemmschwelle ist gering, einfach mal ein Buch anzulesen, das man sonst nicht gekauft hätte. Abgeschreckt hätte mich hier das Genre (Historischer Roman? Nein, danke), auch der Preis. 17,99 € für ein E-Book? Da muss ich gestehen, dass ich es zu viel finde.
Dadurch hätte ich einiges verpasst: Ein sprachlich wunderbares Buch, Figuren, die nicht holzschnittartig agieren, sondern in ihrer Zwiespältigkeit greifbar sind, ein Schluss, der vollkommen unvorhersehbar ist, aber folgerichtig. Es war eines der Bücher, das mir eine schlaflose Nacht bereitet hat, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es ausgeht. Im Nachhinein wurde mir klar, dass es ein Buch derjenigen Autorin ist, die mit »Der Raum« einen Bestseller geschrieben hat, der verfilmt worden ist. Doch »Das Wunder« hat längst nicht eine solche Resonanz ausgelöst, wie man an der Anzahl der Rezensionen und dem Verkaufsrang unschwer feststellen kann. Schade! Ich kenne auch »Der Raum« und das hier gefällt mir viel besser. Meine absolute Leseempfehlung!


Beitragsbild: Love for book @ alphaspirit, depositphotos


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