Romanplanung Tutorial 5 – schon fast gewonnen mit der richtigen Hauptfigur. Tipps zur Konzeption mit Fehlersuch-Checkliste, wenn es mal klemmt.

Ein Roman ohne tragende Hauptfigur kann kaum funktionieren. Ich habe schon Romane gern gelesen, obwohl kaum ein Plot vorhanden war, weil ich mit der Figur gelitten habe, sie wie ein Freund war, dem man im Buch immer wieder begegnen wollte. Ideal ist es natürlich, wenn beides stimmt, Plot UND Figuren 😉
Zuerst wende ich mich der Hauptfigur, dem Protagonisten, zu. In vielen Romanen gibt es nur einen davon, aber bei mehrsträngigen Werken kann es auch schon einmal drei bis vier Hauptfiguren geben, aber mehr als fünf, das wäre schon eher zu unübersichtlich.

Es gibt viele Wege, sich der Hauptfigur zu nähern. Interessant ist, dass der Weg, der bei einem Roman funktioniert, beim nächsten Roman manchmal klemmt. Von daher beschreibe ich mehrere Möglichkeiten, die wertfrei nebeneinander stehen sollen. Sucht euch den Weg aus, der für euch am besten zu passen scheint. Falls es nicht weitergeht und ihr merkt, dass die Figur euch fremd bleibt, lieber die Herangehensweise ändern, anstatt sich festzubeißen. In Hinblick auf NaNoWriMo habe ich mir als Ziel gesetzt, diesen Punkt innerhalb einer Woche zu erledigen, auch wenn ich teilweise in der Vergangenheit einen Monat an der Konzeption der Hauptfigur gearbeitet habe.

1) Tagebucheintrag
Schreibe einen Tagebucheintrag (oder mehrere) aus der Sicht der Hauptfigur
Vorteil: Unmittelbarkeit, man spürt schnell, welchen eigenen Ton die Figur bekommt, wie sie spricht, wie sie denkt.
Nachteil: Es kann einerseits zu innerlich werden, darf also nicht nur bei der Beschreibung einer Stimmungslage stehenbleiben. Andererseits liegt hier die Gefahr, nur die Handlung zu beschreiben, nicht die Figur selbst.

2) Interview
Stell Dir vor, Deine Hauptperson hat ihr erstes Date oder trifft nach langen Jahren einen guten Freund wieder. Das Gegenüber stellt Fragen, der Autor antwortet aus Sicht der Hauptfigur. Das kann man auch gut gemeinsam mit Kollegen bewerkstelligen, wenn beide gerade an einer Figur arbeiten.
Vorteil: Man hat ein Gegenüber, merkt schnell, wo es klemmt.
Nachteil: Man BRAUCHT ein Gegenüber. Die Gefahr ist wie bei 1), dass man nur über die Handlung redet, aber nicht über die Person an sich. Hier immer wieder darauf achten, dass es um die Person selbst geht, was sie mag, nicht mag, was sie sich wünscht, wie sie zur eigenen Familie steht. Oft braucht es ein paar Minuten – wie im wirklichen Leben -, bis das Gespräch in Gang kommt und nicht mehr gekünstelt wirkt. Ein Aufnahmegerät im Hintergrund leistet gute Dienste.

3) in und mit den Figuren leben
Stellt euch in einer Alltagssituation vor, ihr würdet eure Figur neben euch sehen. Lasst sie an eurem Leben teilhaben. Wie würde sie wirken? Wie handeln? Wie würde sie sich fühlen neben euch? Was würde der Protagonist an eurer Stelle in seinem Einkaufswagen haben? Welche Musik würde er im Auto anschalten? Was für ein Auto hätte er überhaupt gekauft? Daraus dann anschließend einen Tagebucheintrag aus der Sicht des Protagonisten schreiben.

4) die vielen Facebook-Tests und Internet-Psycho-Tests
Dieser Weg ist vor allem dazu geeignet, wenn man anders nicht weiterkommt. Klickt euch durch Facebook, durchs Internet, sucht all die seltsamen Tests, die mehr Spielerei als Ernst sind. Welches Tier bist Du? Was ist Dein wahres Alter? Bist Du reif, Dich neu zu verlieben? Braucht Dein Leben eine neue Herausforderung? Bist Du der Frühlings-, Sommer-, Herbst-, oder Wintertyp? … Füllt die Tests aus der Warte eurer Protagonisten aus.

5) „Beichtgespräch“
Stelle Dir vor, Deine Figur ist am Boden zerstört. Sie vertraut sich dem an, der ihr am nächsten steht. Schreibe das Gespräch auf.Die fünf Wege, die ich beschrieben habe, stellen schnell eine Nähe zur Figur her. Da kommt schnell eine Menge an Infos zusammen. Wichtig ist, HINTERHER zu überlegen, was davon überhaupt in den Roman übernommen wird. Zu viel davon, das kann den Leser schnell langweilen. Beim Schreiben selbst findet noch einmal ein Auswahlprozess statt: Was ist wichtig für die Figur im Roman in genau dieser Szene und was nicht?

Zwei von mir erstellte Formblätter nutze ich sehr gern für die Figurenentwicklung, die ich hier zum Runterladen einstelle.
1) Blatt zur Personenveränderung
Personenveraenderung Vorlage
Hier kann man seine eigene Einschätzung der Figur am Anfang des Romans eintragen und wie sie sich im Laufe der Handlung verändert. Das mag für manche zu psychologisch-theoretisch sein, dann einfach weglassen.

2) Charakterblatt zum Ausfüllen
Charakterisierung Vorlage
Bei Papyrus ist so etwas integriert, das ist auch gut nutzbar, aber ich persönlich greife am liebsten auf meine Blätter zurück, die ich dann oft beim Schreiben neben dem Computer liegen habe.

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Für später hintenan stellen: die Notfall-Rettungsliste, wenn es doch noch klemmen sollte. Eine Fehlersuch-Checkliste, die ihr hoffentlich nicht braucht.

Sollte es bei den Figuren jetzt oder an späterer Stelle hängen oder Probleme geben, lohnt es sich, noch einmal folgende Punkte zu prüfen:
– Wandelt sich die Figur im Laufe des Konflikts?
– Hat die Figur eine Besonderheit, die sie auszeichnet (zum Beispiel besonders mutig, besondere Eigenschaften wie einen unbeugsamen Willen, Mitmenschlichkeit …)?
– Ist die Hauptfigur (nicht Nebenfigur!) mehrdimensional, mehrschichtig? Sie muss greifbar bleiben, kann aber ruhig widersprüchlich sein.
– Handelt die Figur mit all ihrer Kraft? Setzt sie sich WIRKLICH für ihre Ziele ein?
– Stimmt das Gleichgewicht der Figuren? Oppositionelle Kräfte müssen sich die Waage halten.
– Gibt es gute Kontraste zwischen den Charakteren? (Nicht übertreiben, sonst wird es zu plakativ in der Schwarz-Weiß-Malerei und wirkt klischeehaft.)
– Sind die Eigenschaften, die Sympathie und Antipathie erwecken, richtig verteilt?

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Beitragsbild © Lilya – fotolia.com